Hinweise zur Evaluierung weiterer Siedlungen auf der Basis der Gesamtbewertung der Solarsiedlung Gelsenkirchen

Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, war es äußerst hilfreich, dass die Koordinierung aller Evaluierungsmaßnahmen durch den TÜV Rheinland, einer allgemein anerkannten, neutralen Institution durchgeführt wurde. Daher sind die Kompetenz, die Koordinationsfähigkeit und die zielorientierten Vorgehensweisen von allen Projektteilnehmern und den Bewohnern nie in Frage gestellt worden. Diese positive Randbedingung sollte auch bei der Auswahl der Institution für die Vergabe weiterer Evaluierungen berücksichtigt werden. Auch ist darauf hinzuweisen, dass zu der Evaluierung der Solarsiedlung Gelsenkirchen neben den in diesem Beitrag in gekürzter Form wiedergegebenen technischen Aspekten eine umfangreiche sozio-ökologische Untersuchung durch die Universität Duisburg-Essen zählt, die das Wohnverhalten der Bewohner der Solarsiedlung ausgiebig diskutiert. In diesem Beitrag wurden nur die technischen Aspekte angesprochen, der Zusammenhang mit einer solchen sozio-ökologischen Untersuchung allerdings ist äußerst wichtig und aufschlussreich für die Konzeption weiterer Solarsiedlungen. Für weitergehende Studien ist daher die Gesamtlektüre des Abschlussberichtes des TÜV Rheinland über die Evaluierung der Solarsiedlung Gelsenkirchen ( vgl. Literaturverzeichnis) unbedingt empfehlenswert.

Qualitätssicherung in der Bauphase

Aufgrund der Beauftragung des Projektes im Dezember 1999 und dem Baubeginn der Siedlung im Mai 1999 konnte die Plausibilitätsprüfung der Planungsunterlagen zur optimalen Baubegleitung und Qualitätssicherung nicht durchgeführt werden. Daher liegen hierzu keine Erfahrungen vor, ob Fehler, die während der Bauphase erkennbar wurden, durch eine Plausibilitätsüberprüfung hätten entdeckt werden können. Der Projektkoordinator hegt Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahme, wenn sie denn von einem Fachingenieur oder einem Architekten durchgeführt würde, da der Erkennungsgewinn vom Erfahrungsschatz dieser einen Person in den einzelnen Segmenten abhängt.

Geeigneter erscheint ein oder mehrere Fachgespräche oder Workshops, in denen die Detaillösungen vorgestellt werden und durch eine Gruppe von Fachexperten (z.B.3) diskutiert würde. Dies ist kurzfristig organisierbar und mit wenig Personalaufwand verbunden und damit wirtschaftlich tragbar. Dies könnte auch für den Investor eine auch aus wirtschaftlichen Gründen zur Vermeidung von Risiken sinnvolle Kontrollinstanz sein.

Die Qualitätsüberwachung durch Baustellenbesuche hat sich bewährt. Alleine der Hinweis darauf, dass eine Bauüberwachung durch den TÜV stattfindet, hat als positives Regulativ zur Durchführung qualitativ hochwertiger Gewerkebearbeitung gewirkt.

Das die Berichte zu diesen Kurzzeitbesuchen ausschließlich den Bauträgern und natürlich deren Bauleitern zur Kenntnis gebracht wurden, war nicht nachteilig und kann auch für weitere Siedlungen empfohlen werden. Um die Qualität der Bauausführung zu dokumentieren, sind Blower-Door-Messungen unumgänglich und damit natürlich auch bei weiteren Siedlungen unbedingt zu empfehlen.

Es hat sich gezeigt, dass Blower-Door-Messungen sehr gut als vertrauensbildende Maßnahme beim Bewohner geeignet sind. Dabei ist es jedoch wichtig, die Bewohner über das genaue Vorgehen zu informieren. Zum Beispiel hatte das Abkleben der Zuluftventile bei einigen Nutzern zu Irritationen geführt, die aber durch Informationen zum Thema bereinigt werden konnten.

Neben den Blower-Door-Messungen sind zum Nachweis einer homogenen Wärmedämmung Thermografieaufnahmen eine sinnvolle Ergänzung, die natürlich wie auch die Blower-Door-Messungen den Installateuren vor Bearbeitung der einzelnen Gewerke bekannt gemacht werden sollten, um sie von Anfang an über diese Kontrollfunktion zu informieren und damit eine fachgerechte Durchführung der Arbeiten zu stimulieren.

Bewertung der technischen Ausstattung

Wichtiger noch als die Baubegehungen in der Bauphase zur Beurteilung der wärmetechnischen Ausführungen ist eine, wie die Erfahrungen des Projektes gezeigt haben, fachliche Unterstützung bei der Planung und Ausführung der wärme- und lufttechnischen Ausbauten sowie der regenerativen Erzeugungsanlagen. Auch dies könnte durch Fachgespräche mit erfahrenen, unabhängigen Fachleuten für die einzelnen Gewerke durchgeführt werden und ggf. durch eine gemeinsame Abnahme der ersten Anlage mit dem Bauträger abgerundet werden.

Schulung von Personal

Natürlich ist es immer sinnvoll, möglichst nur auf die Besonderheiten der Niedrigenergiebauweise hin geschulte Handwerker einzusetzen oder solche Handwerksbetriebe zu bevorzugen, die entsprechende Referenzen ausweisen können. Allerdings wird die Auswahl der Handwerksbetriebe alleine durch den Bauträger durchgeführt, dem diese Auswahlkriterien neben dem angebotenen Preis wohl bekannt sind. Aus Sicht des Projektkoordinators sollten hier, entgegen der Ergebnisdarstellung aus der sozio-ökologischen Untersuchung, keine Reglementierungen durch die Landesregierung eingeführt werden. Wichtiger ist allerdings, die Bauleiter zu sensibilisieren und weiterzubilden. Diese werden im täglichen Kontakt zu den ausführenden Firmen für eine fachgerechte Bauausführung sorgen.

Kritische Bewertungen des Messkonzeptes, Hinweise für die Vermessung weiterer Siedlungen

Das Messkonzept beinhaltete die automatische Erfassung von sogenannten Standardhäusern; hier wurden nur wesentliche Energieströme gemessen. Referenzhäuser waren mit vielen Sensoren ausgestattet, um die Funktionen der technischen Anlagen und Informationen zum Nutzerverhalten zu erhalten. Darüber hinaus wurden weitere Hausbewohner, deren Häuser nicht an eine automatisierte Datenerfassung angeschlossen waren, über entsprechend vorbereitete Postkarten gebeten, die Zählerdaten von Wasser-, Gas-, Energie- und Wärmemengenzähler dem Projektkoordinator zur Verfügung zu stellen.

Bei der Konzeptionierung der Messtechnik war davon ausgegangen worden, dass sowohl bei den Photovoltaikanlagen, als auch bei den solarthermischen Anlagen keine besonderen Probleme mehr vorhanden sind, sodass bei einer relativ geringen Anzahl von Anlagen Messensorik installiert wurde, mit denen die Betriebsweisen dokumentiert werden konnten.

Auf der anderen Seite waren verschiedene Häuser (Mitten-, Eckhäuser) ausgewählt worden, um die Einflüsse der Bauphysik und der verschiedenen Angrenzung von Außenwandflächen an die Außenluft beim Energieverbrauch erkennen zu können. Auf der Basis der Erfahrungen und der Projektergebnisse würde ein nun überarbeitetes Messkonzept eine Verringerung der Messungen an Standardhäusern beinhalten. Das System der manuellen Erfassung über die Einbeziehung der Hausbewohner hat sich bewährt. Die Monatsdaten waren zur Dokumentation der wesentlichen Verbrauchswerte ausreichend.

In den Referenzhäusern könnten die Raumtemperaturmessungen reduziert werden, da die Einflüsse des Lüftungsverhaltens den Energieverbrauch stärker beeinflussen als eine ggf. leicht erhöhte oder abgesenkte Raumtemperatur. Die Bestückung der solarthermischen Anlagen mit Messtechnik ist allerdings zu gering ausgefallen. Es wäre hilfreich gewesen, einige Anlagen mehr mit den wesentlichen Wärme- mengenzählwerken auszurüsten, um die Betriebsergebnisse dokumentieren zu können und einige Anlagen mit weitergehender Messtechnik zur Detailanalyse auszurüsten. Die Anzahl der vermessenen photovotaischen Anlagen war sinnvoll und hätte nicht verändert werden müssen. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass bei einer neu zu evaluierenden Siedlung in der größten Anzahl der Häuser die vorhandenen Zähleinrichtungen (Gas, Kaltwasser, Strom, PV-Strom) ggf. durch weitere notwendige Zähleinrichtungen ergänzt werden sollten (z.B. Warmwasser). Diese sollten aber nicht automatisch erfasst, sondern manuell durch die Bewohner abgelesen werden. Somit ist ein zentrales Datenerfassungs- und Bussystem nicht notwendig. Die technischen Anlagen sollten allerdings durch dezentrale Messsysteme in genügender Anzahl detailliert vermessen werden, um die verschiedenen Nutzereinflüsse in Verbindung mit dem Anlagenbetrieb analysieren zu können.

Bewertung der Bewohnerinformation, Hinweise für die Evaluierung weiterer Siedlungen

Insbesondere in der sozio-ökologischen Begleituntersuchung wird angemerkt, wie wichtig es ist, die Bewohner frühzeitig in das Bauvorhaben innerhalb des Planungsstadiums einzubinden. Dies konnte in der Solarsiedlung auch durch die Begleitmaßnahmen nur ungenügend realisiert werden. Bei der Evaluierung weiterer Siedlungen sollte dies berücksichtigt werden.

Die zur Informationsvorbereitung (Broschüren, Solarbriefe, Verbrauchsspiegel, Infoabende) in der Solarsiedlung gewählten Medien haben sich als geeignet erwiesen und könnten so, oder so ähnlich auch bei weiteren Siedlungen Anwendung finden. Dabei erwiesen sich die Verbrauchsspiegel, die den Bewohnern in anonymisierter Weise ihr persönliches Verbrauchsverhalten in Relation zu anderen Bewohnern darstellte, als wichtiger Ausgangspunkt für Nachfragen und detaillierte Diskussionen zum Verbrauchsverhalten. Individuelle Beratungen wurden bei der Evaluierung der Siedlung in Gelsenkirchen nicht übergreifend angeboten. Aus den Erfahrungen der Begleitung, den geführten Telefonaten und Einzelgesprächen und den Bewohnerversammlungen wäre dies auch nicht anzuraten gewesen, da häufig der Versuch von den Bewohnern unternommen wurde, den Projektkoordinator und andere Projektteilnehmer für ihre Interessen, auch über die energietechnischen Fragen hinaus, zu instrumentalisieren. Sofern individuelle Beratungen bei weiteren Siedlungen ins Auge gefasst werden, sollten sie immer aus den o.g. Gründen durch die Bauträger durchgeführt werden. Diese sind ggf. hierbei zu unterstützen.

Weiterhin ist es wichtig, alle Interessengruppen bei einer solchen Evaluierung im Boot zu halten. Dies kann nur durch einen problem- und technikorientierten Dialog mit allen Interessengruppen (Bewohner, Investoren, Planern, Bauleitern, Handwerkern) und eine institutionelle und emotionale Neutralität des Projektkoordinators erfolgen.

Zusammenfassend soll berücksichtigt werden, dass es eine gesunde Relation zwischen dem, was die Bewohner in ein Evaluierungsprojekt einbringen, und dem, was sie als Erkenntnisgewinn aus diesem Projekt erhalten, geben sollte. Bei der Evaluierung der Solarsiedlung Gelsenkirchen-Bismarck scheint dies gelungen.

Literatur

Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW: Abschlussbericht über die Koordination der wissenschaftlichen Baubegleitung und ganzheitlichen Diagnose der Solarsiedlung Gelsenkirchen Bramkampstraße, bearbeitet durch die Abteilung Testzentrum Energietechnik der TÜV Immissionsschutz und Energiesysteme GmbH, FKz 26220199, Dezember 2003.